Stare into the middle distance
- carinariedl
- 25. Mai 2021
- 1 Min. Lesezeit
Zwei Tage lang sind wir jetzt auf einem Damm die Donau entlang gegangen, die hier über 50 km aufgestaut wird, um im Wasserkraftwerk bei Gabčíkovo 30m hinunterzustürzen. Lange Tagesetappen in großer Monotonie, die neben einer riesigen Blase an Dieters kleinem Zeh eine Art Leere erzeugen, einen fast tranceähnlichen Zustand manchmal. „Ins Narrenkastl schauen“, für mich eine der schönsten österreichischen Wendungen überhaupt, heißt im Englischen „staring into the middle distance“, erfahr ich von meinem Wandergefährten. Diese Tage sind wie ein einziges riesengroßes Narrenkastl. Das Gefühl stellt sich ein, angekommen zu sein auf der Straße, das Zwischen ist Raum geworden jetzt. (Alice‘ Hasen haben ihr Türöffnerwerk offenbar vortrefflich erledigt.)
Der traurige Kellner im Hafenlokal, der nahezu perfekt Deutsch spricht und mit traurigen Augen von seinen Sportlerjahren vor dem Herzleiden erzählt, die Heerscharen kläffender Hunde in jedem einzelnen der Vorgärten in den winzigen Dörfern, die in ähnlicher Stimmlage bellenden männlichen Stammkunden in den Kneipen und die weiblichen Kellnerinnen dazu, die schon seit Jahrzehnten illusionslos ins Narrenkastl schauen und sich doch überraschend zu einem Lächeln verführen lassen - sie alle geistern durch dieses erste Zwischenreich, Bewohner der „middle distance“.
Eine gelallte Horvath-Version von „so blau, so blau“ im Ohr - und neben der Kneipenbelegschaft ist das hier ausnahmsweise wirklich auch die Donau -, wird unser Track zum Tag heute ein Titel sein, den auch Herr Kovačič als Johann Bargeld schon zum besten gegeben hat in seinen wilden Jahren:
Johnny Cash „Wo ist zuhause, Mama“: https://m.youtube.com/watch?v=M5XQHmKIH1g
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