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Tag 27, 17//03//20, km 732

  • carinariedl
  • Mar 17, 2020
  • 2 min read

Eine Grenze der Stadt Wien. In präcoronaler Zeit hätten wir Karavukovo in Serbien erreicht.


Aufgrund des allgemeinen Zeitenwandels mussten wir Modifikationen an unserem Projekt vornehmen. Von nun an werde ich in Wien nach Istanbul gehen müssen. Ich werde solange zur Stadtgrenze und damit auch die anstehenden Tagesetappen gehen, bis wir entweder wieder auf die Strecke dürfen, oder ich in Kilometern in Istanbul angekommen bin.


Ebenfalls aufgrund des allgemeinen Zeitenwandels führt das genauso zu neuen Perspektiven, als würde sich der Körper in geographisch unbekanntem Gelände bewegen.

Sonst immer hatte ich das Gefühl, die Menschen gehen zwar in Gruppen, sind aber oft trotzdem vollkommen allein. Heute dagegen sind sie einzeln unterwegs, aber sie gehen gemeinsam. So sehr mich der Abbruch getroffen hat - es ist schnell vollkommen klar, hier ist der richtige Ort und nirgends sonst.


Die einzigen, die auf der Straße verweilen, sind Obdachlose. Ein Penner-Pärchen liegt sich vorm U-Bahnhof Landstraße im Arm, fast tanzend und je eine Bierdose in der Hand, daneben eine Großpackung Klopapier.


Und Mariha, eine obdachlose 64-jährige, findet keinen Menschen, der ihr erklärt, warum alle ihre Caritas-Stellen zu sind und wann wieder offen, wie lange das dauert mit diesem Virus und warum kein Mensch auf der Straße ist, den man fragen kann oder der einem wenigstens ein paar Euro abtritt. Sie wehrt sich mit Knoblauch und ihre blauen Augen strahlen, als sie mir sagt, das sie eine Sache wirklich zum Lachen gebracht hat dieser Tage: sie solle zuhause bleiben nämlich. Erstens hat sie keins. Und zweitens: "Bewegung ist Leben. Wenn man sich nicht bewegt, verarmt der Körper und der Geist. Man wird krank und dumm. Oder? Was sagen Sie?"

"Ja!", sage ich.

Bei allen Zweifeln erscheint Mariha im richtigen Moment auf diesem Weg, schätze ich.





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